Reliquienkästchen
Reliquienkästchen 1. Hälfte 14. Jahrhundert Venezien / Norditalien Domschatz St. Stephan L. Deinhardstein, L. Rastl
Venezien / Norditalien
1. Hälfte 14. Jahrhundert
Objektart
Liturgisches Gerät
Material
Bein auf Holzkern, farbige Gravuren
Sammlung
Dom Museum Wien, Leihgabe der Domkirche St. Stephan, Wien
Inv.Nr.
L/20
Bein
Gefäß
Rudolf IV.
Derzeit ausgestellt
Foto
L. Deinhardstein, L. Rastl
Eine Kassette aus Knochen für einen Reliquienschatz
Das Beinkästchen gehörte wohl Herzog Rudolf IV. Der darin enthaltene Reliquienschatz wird von Drachen bewacht.
Vier Ungeheuer bewachen den Inhalt dieser Kassette. Grimmig blicken vor allem die beiden an der Frontseite mit ihren im Kampf verschlungenen Hälsen. Der Besitzer dieses Behältnisses soll niemand geringerer als Rudolf IV. gewesen sein, der es der Schatzkammer von St. Stephan stiftete. Es diente zur Verwahrung von Reliquien. Gut möglich, dass vormals weltliches Gut der Inhalt war. Das rechteckige Kästchen hat einen Klappdeckel in Form einer abgestumpften Pyramide. Es steht auf einem nach allen Seiten vorspringenden Untersatz ohne Boden. Dessen Längsseiten wurden so ausgeschnitten beziehungsweise eingefärbt, dass sie an flachgedrückte Bogenöffnungen mit durchbrochenem gotischem Maßwerk erinnern. Lilie und Dreiblätter wurden als Blickfang herausgearbeitet. Die Schmalseiten wurden jeweils mit bogen- und zinnenförmigen Ausschnitten versehen. Die Grundform dieser aus Knochen geschnitzten Arbeit stammt aus der arabisch beeinflussten Tradition süditalienischer Handwerkskunst. Der Dekor der Elfenbeinplatten ist eingraviert. Die Rillen wurden mit unterschiedlichen Farben gefüllt. An der Frontseite und an den beiden Schmalseiten des Kästchens bewegen sich ungestüme drachenartige Fabelwesen. Ihre vervielfachten oder zu Ranken umgedeuteten Schwänze entfalten ein dramatisches Eigenleben. Zu Recht können sie mit chinesischen Fabeltieren in Verbindung gebracht werden. Denn durch Handelsbeziehungen mit dem Mongolenreich gelangten chinesische Seidenstoffe nach Oberitalien. In den dort ansässigen Webereien und eben auch im Kunsthandwerk wurde deren Muster übernommen und dem gotischen Empfinden angepasst.