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Was haben ein mittelalterliches gemaltes Epitaph (Grabbild), eine hand- gezeichnete und -geschriebene Bild-Dichtung von Günter Brus und Shirin Neshats Fotoarbeiten gemeinsam? Es ist die Verbindung aus Wort und Bild, die seit Menschengedenken zum Ausdruck existentieller, gesellschaftspolitischer, theologischer und künstlerischer Gedanken genutzt wird. Die erste Themenausstellung des Dom Museum Wien, „Bilder der Sprache und Sprache der Bilder“, zeigt das weite Feld von Bild-Schrift-Kunst vom Mittelalter bis heute.
Die Ausstellung zoomt jene Epochen besonders hervor, in denen Bild und Schrift eine große Nähe zueinander aufweisen wie in Mittelalter, Moderne und Gegenwartskunst. In Gegenüberstellungen wird das die Kulturentwicklungen bestimmende Ringen zwischen bildlichen und sprachlichen Zeichen anschaulich vor Augen geführt. Die gezeigten Werke machen deutlich, dass Kombinationen aus Bild und Text sich besonders eignen, um von den sichtbaren Dingen zu den unsichtbaren Welten zu gelangen. Glaubensinhalte, Fragen nach Leben, Tod, Diesseits und Jenseits, nehmen daher eine zentrale Rolle in der Präsentation ein.
Der Bogen der Ausstellung spannt sich von seriellen Text-Bild-Kombinationen, etwa bei William Blake, Alfred Kubin, Günter Brus oder gotischen Evangeliarien, bis zur Arbeiten, in denen die Schrift alleine zum Bild wird wie etwa bei Brigitte Kowanz oder der Pop-Art-Nonne Sister Mary Corita Kent. Hrabanus Maurus nutzt bereits im 9. Jahrhundert die visuelle Qualität der Schriftzeichen, um komplexe theologische Aussagen zu treffen. Auch bei Alighiero Boetti dominiert über tausend Jahre später die Bildhaftigkeit von Buchstaben, so dass sich erst nach einiger Suche auch eine inhaltliche Ebene eröffnet. Der Schrift im Raum widmen sich Otto-Mauer-Preisträger Siggi Hofer und Kamen Stoyanov genauso wie etwa Josef Bauer, der seine poetischen Wort-Skulpturen genauso in die Natur wie in sakrale Räume stellt.
Mit Jaume Plensa, Timm Ulrichs, Birgit Jürgenssen und VALIE EXPORT wird die Schrift-Bild-Thematik um den Aspekt des Körperlichen erweitert. Ausgewogen präsentiert sich das Verhältnis auf mittelalterlichen Bildwerken, die nicht nur Stifterinschrift, sondern auch zusätzliche Erklärungen zur Tragweite des Inhalts haben. Demgegenüber kommentieren Francisco de Goya und William Hogarth mit bissigen Kommentaren ihre Stiche und erweitern zeitgenössische KünstlerInnen wie Johanna Kandl, Raymond Pettibon oder Muntean/Rosenblum ihre Malerei und Grafik um schriftlich notierte Gedankengänge.
Kunsthistorische Leihgaben aus nationalen und internationalen Museen und Sammlungen, ausgewählte Objekte aus dem Bestand des Museums Avantgarde-Werke aus der Sammlung Otto Mauer, Arbeiten jüngster Otto-Mauer-Preisträger*innen sowie Neuankäufe, Schenkungen und künstlerische Interventionen treten hier miteinander in Dialog.